Herkunft Eckart Sackmann
geb. 2. Januar 1951 Hannover Vater: Friedrich Sackmann Mutter: Regina Gliege |
Die Eltern
Wer im Krieg Haus und Hof verloren hatte, sah zu, dass er in der Nähe von Angehörigen unterkam. Diesem Brauch verdanke ich mein Leben. Meine Großmutter Irma war in Hannover ausgebombt worden und hatte bei entfernten Verwandten in Ehlershausen, den Stiens, Unterschlupf gefunden. Im Zimmer neben ihr wurde meine Mutter einquartiert, die von Polen "rübergemacht" war und die in dem Dorf ebenfalls Leute aus ihrer Heimat kannte.
Irma Sackmann wartete auf ihren Sohn Friedrich. Als der Ende 1949 aus russischer Gefangenschaft zurückkam, ging die Nachbarin zusammen mit ihr zum Bahnhof.
Links: Die erste Registrierung meiner Mutter in der britischen Zone. Rechts das Telegramm, mit dem mein Vater seine glückliche Heimkehr ankündigte.
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Es dauerte nicht lange, da waren sich der Spätheimkehrer und der Flüchtling nahegekommen. Die Frau meine Vaters war gestorben, die erste Ehe meiner Mutter geschieden. Im September 1950, kaum ein Jahr, nachdem sie sich kennengelernt hatten, heirateten meine Eltern. Auf dem Hochzeitsfoto bin ich (unsichtbar) schon dabei. |
Das Hochzeitskleid meiner Mutter war aus schwarz gefärbter Fallschirmseide gefertigt. Auf dem Foto (l. n. r.) zwei Freundinnen, das Brautpaar, Tante Ellen und Oma Sackmann. |
Von den durch die Gefangenschaft verursachten körperlichen Schäden erholte sich mein Vater einigermaßen. Er war im Mai 1945 mit der eingekesselten Kurland-Armee gefangengenommen worden und hatte bei Nowgorod vier Jahre lang im Steinbruch und beim Flößen arbeiten müssen. Schwer fiel ihm jedoch der Neuanfang nach dem Wegfall all dessen, woran er politisch einmal geglaubt hatte. Zu seinem Glück fand er im Juni 1950 in seiner ehemaligen Lehrfirma eine Anstellung. |
Meine Oma war herzkrank, und als sie allein nicht mehr zurechtkam, zog sie Mitte der 50er Jahre in unsere Miniwohnung. Für meine Eltern war das ein Opfer: Sie verzichteten auf ihr Schlafzimmer und nächtigten sieben Jahre lang im Wohnzimmer auf dem Klappsofa. |
Ich war im Januar 1951 geboren worden, ein Zehnmonatskind, das seine Mutter vor der Geburt sehr gequält hatte. Vielleicht war das ein Grund, warum ich keine Geschwister bekam; vielleicht lag es aber auch an der schlechten finanziellen Situation meiner Eltern. Sie lebten nach dem damals gültigen Muster: Der Mann verdient das Geld, die Frau versorgt den Haushalt. Diese Rollenteilung haben sie auch später nie infrage gestellt. |
Wir wohnten in Ehlershausen mitten im Wald, in einer kleinen Zweizimmerwohnung mit "Kochnische", aber mit einem riesigen Balkon. Obwohl man annehmen sollte, dass in so einem Nest nicht viel los ist, gab es doch immer Abwechslung. Freunde, Nachbarn, Dorffeste - wie ich mich erinnere, führten meine Eltern ein geselliges Leben und ein offenes Haus.
Nach zwei anderen Stationen bekam mein Vater 1954 eine Anstellung im Büro der Gewerkschaft Elwerath, einer Erdölfirma in Nienhagen. Von da an war die Existenz der Familie gesichert. Ein gewisser Wohlstand war aber erst in den 60er Jahren spürbar. |
Meine Mutter mit ihren beiden besten Freundinnen, Lotte Runne und Gerti Gatzemeyer. Die drei hatten sich gleich nach dem Krieg kennengelernt und blieben bis zu ihrem Tod unzertrennlich. |
Meine Mutter vermisste den Kontakt zu ihren Eltern und Geschwistern, von denen sich sieben in der Nähe von Berlin niedergelassen hatten. Besuche gab es also nur von West nach Ost und nur zu besonderen Gelegenheiten. Gefürchtet war immer die Ankunft eines Telegramms, da es häufig einen Todesfall in der Familie anzeigte.
Mein Vater war bei Reisen in die DDR ein Problemfall. Wenn er einen über den Durst getrunken hatte, fing er gern an zu politisieren. Meine Mutter hatte immer Angst, "dass sie ihn dabehalten". |
Die Konfirmation von Karl-Heinz, dem Sohn von Bruder Karl. In der Mitte die Schwester Meta, verheiratete Lipke. In der Familie Gliege war es Usus, dass bei Besuchen und Feiern immer viel aufgetischt wurde. So hielt es auch meine Mutter. Sie kochte und backte stets im Überfluss. |
Der Haushalt war in den 50er Jahren noch sehr ursprünglich: ohne Kühlschrank, ohne Waschmaschine. Gemüse und Obst wurden im Sommer eingeweckt, Kartoffeln im Keller gelagert (im Frühjahr trieben die dann schon aus). Für den täglichen Bedarf gab es eine große Speisekammer.
Die Wäsche wurde im Waschkessel in der Waschküche gewaschen und dann im Hof auf die Leine gehängt. Im Winter wurden die Bettlaken da steif wie ein Brett, trockneten aber trotzdem irgendwie. Geheizt wurde mit Holz und Kohle. Im Winter gab es Eisblumen an den Fensterscheiben. Auch für das Badewasser musste immer erst ein Kessel befeuert werden. |
Mit Ellen, der Schwester meines Vaters (2. v. l.), vertrug sich meine Mutter überhaupt nicht. Sie war zu gutmütig, ließ sich ausnutzen und verstand nicht die Ironie und zeitweilige Boshaftigkeit meiner Tante. Das führte immer wieder zum Bruch zwischen den beiden. Mein Vater hielt zu meiner Mutter. |
Rechts: Mein Vater ist Sieger im Wettbewerb um den schnellsten Mayonnaise-Schläger. So was konnte er, aber ansonsten überließ er alle praktischen Dinge meiner Mutter. Sie tapezierte, hackte Holz und schlachtete Hühner. Mein Vater wollte uns glauben machen, er habe "zwei linke Hände". Bei Wohnungsrenovierungen war es sicherer, ihn gleich außer Haus zu schicken.
Er war dagegen gut, wenn es um schriftliche Dinge oder die Planung von Reisen ging. Eigentlich hat er sich den Alltag ziemlich leicht gemacht. Von meiner Mutter habe ich gelernt, vor unvertrauten Arbeiten keine Angst zu haben. |